Heidedistanz 2015 von Karin Strohtenke
Wir rollen gegen 23:25 Uhr am Startort ein; es herrschen immer noch 22 Grad und für den kommenden Tag wurde bereits lange im Vorfeld von den Wetterfröschen ein zu erwartender Hitzerekord prophezeit.
Trotzdem spüren wir keine Hektik, sondern einen geregelten Ablauf. Meine Freundin Karin Capell ist sofort zur Stelle und reicht mir die notwendigen Unterlagen für meinen Job.
Alle anderen Helfer sind traditionell an bunten fluoreszierenden Armbändern und Halsketten (sogenannte Knicklichter) erkennbar. Dann geht es auch schon mit brennenden Fackeln in Richtung Wiese, um die Reiter abzuholen.
Trosser, Helfer und sonstiger Anhang der Reiter bewegen sich in Richtung Start. Dort versammelt sich eine nette Runde, unter der Flaschen mit selbstangesetztem Schnaps (Jostabeere und Schlehe) die Runde machen; auch die Reiter holen sich ihren Schluck ab.
Nach und nach kommen die Reiter ab 0:00 Uhr bedächtig durch die Gasse der wartenden Zuschauer zum Start getrabt und verschwinden in die Nacht.
Nachdem alle auf der Strecke sind, tippen wir die Koordinaten in unser Navi und machen uns zum ersten Stopp. Trotz Vollmond ist die Nacht nicht wirklich hell.
Planmäßig treffen alle zugeteilten Helfer und Tierärzte ein. Jeder ist lange genug im Sport oder bei der Heidedistanz dabei, dass die Kurzabsprache „wer-macht-was“ reibungslos verläuft.
Dann kommen auch schon die ersten Reiter; manche in größeren Gruppen, manche nur zu Zweit. Auffällig ist, wie entspannt und ruhig der erste Pausenstopp erfolgt.
Nachdem wir alle Reiter verabschiedet haben, geben wir kurz an den nächsten Stopp die nicht mehr zu erwartenden Reiter weiter; dann fahren wir zum Frühstücksstopp. Als wir dort ankommen, ist die Vorbereitung bereits in vollem Gange, aber wir packen unsere Liegen für eine kleine Schlafpause aus.
Bevor noch die ersten Reiter kommen, stärken wir uns an einem wirklich grandiosen Büffet. Frische große Brötchen, Aufstrich nach jeder Fasson, Kaffee, Tee und Milch. Sogar Müsli wird neben Obst angeboten.
Auch hier verläuft alles reibungslos; die ersten Reiter beenden hier in der Wertung den Ritt. Sei es, weil sie es im Vorfeld so geplant haben, oder weil sie den Ratschlägen der Tierärzte aufgrund der noch über den Tag zu erwartenden Temperaturen gefolgt sind.
Weiter geht es dann für uns zum legendären Nudelstopp beim 120km-Punkt. Hier steht eine wahre Feldküche: es gibt Nudeln al dente – dazu wahlweise Bolognese-Sauce oder eine vegetarische Sauce. Selbst an geriebenen Käse ist gedacht. Wer meint, dies sei alles – nein ! Es gibt auch noch Milchreis mit Kirschen oder frischem warmen Erdbeerkompott.
Mittlerweile ist es nach Mittag und die Sonne hat die Luft entscheidend angewärmt. Unsere Tierärztin hat eine große Digitaluhr mit eingebauter Temperaturanzeige: 39,8 Grad im Schatten. Unser Tierarzt meint, was in Abu Dabi hilft, hilft auch in der Heide. Er macht es vor und taucht sein Basecap in einen Wasserbottich und schöpft sich beim Aufsetzen das Wasser auf den Kopf. Erst schauen wir ungläubig, aber nach und nach versucht es jeder von uns, der ein Käppi hat. Herrlich, einfach erfrischend.
Auch die ersten Pferde, die uns erreichen sind noch relativ frisch und entscheiden sich für’s Weiterreiten oder freiwilliges Verlängern der Pause vor dem Weiterritt. Erfreulich, dass kein Pferd an diesem Stopp eliminiert werden muss. Alle Reiter gehen es sehr verantwortungsvoll an und passen ihre Reitweise dem Wetter an. Nachdem wir hier alle Reiter haben passieren oder in der Wertung beenden lassen, fahren wir Richtung Ziel.
Mittlerweile ist klar, dass es noch am Abend ein Gewitter geben wird und wir bauen unser Zelt bereits vor dem Regenguss auf. Auch hier laufen alle Informationen von den einzelnen Streckenposten reibungslos zusammen, und die Meldestelle verwertet schon die bereits eingesammelten Checkkarten.
Im Festzelt wird mittlerweile das große Buffet aufgebaut. Wir waren im letzten Jahr schon als Frischlinge auf der Heidedistanz und konnten unseren Augen nicht trauen, aber auch in diesem Jahr waren wir wieder überwältigt, welche Vielfalt und welche Mengen auf den Grill und Tisch gezaubert wurden. Es wurde sogar ein Plantschbecken zur Abkühlung aufgebaut.
Bevor das Buffet jedoch freigegeben wurde, begrüßten wir mit frenetischem Jubel die beiden einzigen Reiterinnen, die die gesamte Strecke durchgeritten sind. Beide Pferde machten einen TipTop-Eindruck. Nach dem Essen kam dann das erwartete Gewitter, aber das Festzelt wie auch die anderen Zelte hielten Stand. Es wurde noch ein wenig gefachsimpelt, aber nach 21 Uhr war dann doch die Müdigkeit und Erschöpfung von der Hitze des Tages zu groß.
Am nächsten Morgen wurden wir bereits recht früh von den Vorbereitungen für das Frühstück leise geweckt. Auch dieses war mit Rührei, Schinken und anderen Leckereien an Vielfalt kaum zu überbieten. Eine Gastronomie-Doppelkaffeemaschine sorgte dafür, dass nie der Kaffee ausging. Sie lief einfach unentwegt weiter.
Während sich die Tierärzte, Trosser und Reiter mit der Nachuntersuchung und der Best-Condition-Entscheidung beschäftigten, haben wir alles für die Siegerehrung aufgebaut. Wie schon im Vorjahr war es einfach überwältigend, was alles aus dem großen Anhänger zum Vorschein kam, und wie Karin es aufgebaut haben wollte.
Bei der Siegerehrung wurden, neben dem Organisationsteam, auch alle Helfer nach vorn gebeten, um sich von einem Extra-Tisch ein kleines „Dankeschön“ auszusuchen. Die Reiter wurden reichlich bedacht und konnten, je nach Platzierung, in Ehrenpreiskategorien selbst wählen; manchmal legte Karin noch einen zusätzlichen Preis nach. Ich habe so etwas bislang noch nicht erlebt.
Fazit: wenngleich diese Veranstaltung ein Distanzritt ist, würde ich sie als wahres [b]Distanzritt-Festival [/b]bezeichnen wollen.
Es ist eine Freude, sich in das bestehende Team als Helfer zu integrieren und mitzuerleben, wie eine wirklich aufwändige Veranstaltung von A nach B mit diesen verschiedenen, aber wirklich wichtigen Feinheiten aufgezogen wird.
Trotz der wirklich anspruchsvollen Wetterlage, habe ich nie verbal ausrastende Personen und Konflikte miterlebt. Es war eine durchweg harmonische Atmosphäre. Wir haben geschlemmt wie Gott in Frankreich oder wie bei Paul Bocuse in Lyon.
Sonntagnachmittag sind wir mit sehr vielen positiven Eindrücken nach Hause gefahren – es war ein Wochenende unter Freunden, die ein starkes Kommitment für den Distanzsport haben, ohne dass der Spaß auf der Strecke geblieben ist.
Es wurde viel gelacht, viel geschwitzt – aber letzten Endes bleibt eine sehr gelungene Veranstaltung in Erinnerung.
Karin und Nele – bitte macht mit Eurem Team so weiter !!